Das Mittelalter

Zwischen dem großen Orientschisma (1054) und dem Fall von Konstantinopel (das bis dahin unter der Herrschaft eines christlichen Kaisers stand und 1453 den türkischen Mohammedanern anheim fiel), dem nur wenige Jahre später die Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph Kolumbus (1492) folgte, liegen vier Jahrhunderte christlicher Geschichte, die in gewisser Hinsicht als Eintritt in das Zeitalter der Reife für die Christenheit gelten müssen.

Tatsächlich ist zur Zeit des Mittelalters die weltliche Gesellschaft im Okzident, jedoch auch in vielen Teilen des Orients, eine wahrhafte Christenheit. Das Christentum erfüllt zutiefst alle Bereiche der Kultur und des sozialen Lebens. Die größten Denker der zivilisierten und in der internationalen Politik tonangebenden Welt sind Christen. Das 11. Jahrhundert bringt einige der größten marianischen Kirchenlehrer hervor wie Petrus Damiani, Anselm von Canterbury oder Bernhard von Clairvaux...

Die Zeit doktrinaler Reife ist gekommen

Im 12. Jahrhundert erfährt die Marienfrömmigkeit all ihre Tiefe mit Simon Stock, der bei einer Marienerscheinung auf dem Berg Karmel das Geschenk des Skapuliers erhält, sowie mit Dominikus, der sich zum Apostel des Rosenkranzes macht. Franz von Assisi und Antonius von Padua, die bemerkenswerte Schriften über die Marienverehrung verfassten, stehen am Wendepunkt zum 13. Jahrhundert, der großen Epoche der Christenheit des Okzidents. Weder zuvor noch danach nämlich waren die Zahl und die Ausstrahlung christlicher Denker, die zugleich Heilige und von großem Format waren, so groß, wie an diesem Höhepunkt des Mittelalters. Es ist das Jahrhundert der Kirchenlehrer wie Albertus Magnus, Bonaventura und Thomas von Aquin, das Jahrhundert der Mystiker wie Mechthild von Magdeburg oder Gertrud von Helfta. Und es ist das Jahrhundert von Duns Scotus, dem Theologen der Unbefleckten Empfängnis...

Auch in den Königsfamilien der Zeit zeugten viele Heilige von Christus und der Muttergottes: der französische König Ludwig IX. (genannt der Heilige), Elisabeth von Portugal, Birgitta von Schweden... Und damit sind wir im 14. Jahrhundert angelangt, der Zeit des großen orthodoxen Mönches und Theologen Nicolas Cabasilas und der großen Mystikerin und Kirchenlehrerin Katharina von Siena (Papst Johannes Paul II. ernannte sie zu einer Patronin Europas).

Für das 15. Jahrhundert steht Katharina von Genua, die durch ihre mystischen Schriften Berühmtheit erlangte. Noch zu ihren Lebzeiten erfolgte die Entdeckung der Neuen Welt...